Radikale - bei Sport gebildet, wirken wie Impfung gegen oxidativen Stress
Radikale ... z.B. Stickstoffmonooxid, der das freie Elektron symbolisiert
Freie Radikale, oxidativer Stress und Antioxidanzien bilden die Grundlage vieler Hypothesen zur Krankheitsentstehung und Vermeidung. Kernbestandteil ist die Annahme, dass Radikale schädlich sind und – im Umkehrschluss – ihre Elimination Krankheiten verhindert oder heilt. Radikale haben jedoch auch essenzielle Funktionen.
Was sind Radikale?
Wie wirken Radikale?
Diese Wirkungen sind möglicher weise an der Entstehung von Herz-Kreislauf-Er krankungen, Neurodegeneration und Krebs beteiligt. Die Entwicklung und Prognose von Herz-Kreislauf-Erkrankungen wird oft mit einer endothelialen Dysfunktion assoziiert. Darunter versteht man eine Funktionsstörung des Gefäßendothels, die durch eine Störung des protektiven NO-Signalwegs verursacht ist. NO vermittelt gefäßschützende Effekte. So relaxiert NO z.B. Blutgefäße und senkt so den Blutdruck, hemmt die Thrombozytenaggregation sowie das Wachstum glatter Muskelzellen.
Interaktionsmechanismen zwischen ROS und dem NO-Signalweg:
● ROS inaktivieren NO in einer direkten Reaktion
● ROS schädigen das NO-bildende Enzym NOS in Endothelzellen
● ROS schädigen den NO-Rezeptor
Warum wirken Antioxidanzien nicht?
Spezialisierte antioxidative Enzyme (Superoxid-Dismutase, Katalase und Peroxidasen) stellen physiologisch ein optimales Gleichgewicht zwischen ROS-Bildung und -Abbau ein. Ein Ungleichgewicht kann zu oxidativem Stress führen. Die Gabe von Vitamin E oder Betakarotin kann sogar schädlich sein und die Gesamtmortalität erhöhen. Die gesundheitsfördernde Wirkung von Sport kann durch Vitamin Cteilweise aufgehoben werden. Eine hoch dosierte prophylaktische Gabe von Vitamin E an Gesunde oder eine therapeutische Gabe für Patienten mir kardiovaskulären Erkrankungen ist daher nicht länger zu rechtfertigen.
Bei Sport gebildete Radikale wirken wahrscheinlich langfristig wie ein Impfstoff gegen oxidativen Stress. Antioxidanzien können diesen Impfeffekt unterdrücken.
Als Ursache für die fehlende Wirkung von Antioxidanzien wird diskutiert, dass deren Bioverfügbarkeit genau dort, wo ROS-Konzentrationen erhöht sind, zu gering ist. Auch ist oxidativer Stress meist kein systemisches Phänomen, sondern auf einzelne Organe, Gewebe und Zellen oder sogar subzelluläre Kompartimente beschränkt. Supplementierte Antioxidanzien hingegen wirken eher systemisch. Ist es überhaupt möglich, dass nach oraler Applikation jede Zelle des Körpers die optimale Konzentration des
Antioxidanz zur richtigen Zeit enthält, um jedes pathologische Radikal abzufangen, dabei aber die physiologisch notwendigen zu belassen ?
Alternative Ansätze
Die Quellen der Radikale hemmen
Oxidativer Stress wird meist durch eine erhöhte Produktion von ROS verursacht, seltener durch deren verminderten Abbau. Daher wird der Hemmung von ROS-Quellen mit dem Ziel, oxidativen Stress erst gar nicht entstehen zu lassen oder rückgängig zu machen, ein großes Potenzial für die zukünftige Therapie von Herz-Kreislauf-Erkrankungen zugeschrieben. Eine im Vergleich zur Gabe von Antioxidanzien möglicherweise erfolgreichere Strategie besteht darin, definierte ROS-Quellen wie NADPH-Oxidasen zu hemmen.
Schützendes NO erhöhen
Eine Strategie zur Korrektur verminderter NO-Synthese ist die Supplementierung des NOS-Substrats L-Arginin.
Was ist heute machbar?
Statine und RAS-Hemmer
PDE-Hemmer
Rote Beete, Rotwein und dunkle Schokolade
Einige Nahrungsmittel vermitteln möglicherweise einen zusätzlichen Schutz, der auf Interaktionen mit Radikalen basieren soll. Dazu gehört nitratreiches Gemüse. So senkt zum Beispiel Rote-Beete-Saft akut den Blutdruck gesunder Probanden, verhindert eine durch akute Ischämie des Unterarms induzierte Endotheldysfunktion und vermindert die Plättchenaggregation (e7). Diese Wirkungen des Nitrats werden der Umwandlung in Plasma-Nitrit und letztlich in NO zugeschrieben (e7, e8). Möglicherweise ist dies vielleicht sogar ein Mechanismus, der kardioprotektive Effekte von Gemüse vermittelt (e7, e9). Dies ist noch hypothetisch, und Langzeitdaten liegen nicht vor. Ob eine chronisch hohe Nitratzufuhr toxisch ist, wird kontrovers diskutiert. Epidemiologische Studien haben allerdings keine Korrelation zwischen diätetischem Nitrat/Nitrit und Magenkrebs nachgewiesen (e9). Dunkle, flavonoidreiche Schokolade hat ebenfalls eine blutdrucksenkende Wirkung, die (zumindest teilweise) NO-vermittelt ist (e10, e11). Dafür reicht schon ein moderater Verzehr von 30 g dunkler Schokolade pro Tag. Das Ausmaß des blutdrucksenkenden Effekts von kakaohaltigen Lebensmitteln ist klinisch relevant, nämlich vergleichbar mit der Monotherapie mit einem Betablocker oder Angiotensin-Konversionsenzym-Hemmer (e12). Polyphenole in roten Trauben stimulieren ebenfalls die NO-Produktion und hemmen NADPH-Oxidasen, zumindest in Tier- und Zellmodellen. Diese Effekte könnten die kardioprotektive Wirkung eines moderaten Rotweinkonsums erklären (e11). Unwahrscheinlich ist, dass alle diese Wirkungen durch antioxidative Effekte der Lebensmittelinhaltsstoffe vermittelt werden, denn die Gabe isolierter Antioxidanzien wirkt akut nicht blutdrucksenkend. Weiterhin hat Tee wahrscheinlich keine blutdrucksenkende Wirkung, obwohl dieses Getränk ebenso reich an antioxidativen Inhaltsstoffen ist (e12). Vielmehr beeinflussen einige, aber eben nicht alle der als Antioxidanzien eingestuften Inhaltsstoffe die Expression protektiver beziehungsweise schädigender Gene (e11, e13). Auch lassen sich die Wirkungen und komplexen Interaktionen verschiedener Lebensmittelinhaltsstoffe nicht in eine Tablette pressen.
Lifestyle - Fazit:
Zur Prophylaxe ist ein engagierter Arzt wichtig, der den Patienten immer wieder davon überzeugt und dazu ermuntert, sich ausgewogen zu ernähren, Sport zu treiben, das Gewicht im Zaumzuhalten und nicht zu rauchen. Die Hypothese der Autoren ist, dass kein Arzneistoff den hiervon ausgehenden Schutz und Nutzen jemals wird übertreffen können.